Am meisten lernt man von den Verlierern
- matthias937
- 17. Juli 2024
- 2 Min. Lesezeit
Seit 1995 beschäftige ich mich beruflich mit Startups. Als Investment Manager habe hunderte Businesspläne gelesen. Die Qualität reichte von grottigen, unausgegorenen Ideen, die auch noch mies präsentiert wurden, bis zu Plänen, die seriös recherchiert wurden und das Business-Modell nachvollziehbar dargestellt haben. Manchmal gab es auch toll aufgemachte Hochglanz-Präsentationen, die leider inhaltlich nichts zu bieten hatten.
Aus 100 Business-Plänen hat unsere Beteiligungsgesellschaft im Durchschnitt ein Projekt finanziert.
Venture Capital (VC) heißt auf deutsch schlicht Risikokapital. Und das zurecht: In der Branche überleben rund 50% der Beteiligungen die ersten Jahre nicht. 30% kommen mehr schlecht als recht über die Runden und sind oft unverkäuflich. Aus den restlichen 20% sind meist nur 2-4% echte Überflieger, die dann beim Verkauf (Exit) dem Venture-Capital-Fund die notwendigen Renditen ermöglichen. Es ist also ein Umlagesystem, bei dem die erfolgreichen Firmen die Verlierer mit durchfüttern.
Ich bezeichne mich oft als "religösen VC". Nicht weil ich gläubig bin, sondern weil ich das VC-System ordnungspolitisch klasse finde. Es gibt vielen Gründern eine Startchance und wenn es schief geht, sind sie nicht hoch verschuldet wie bei Bankkrediten. Ich bin ohnehin kein Banken-Fan. Ich habe mit meinen ersten Firmen zu häufig unter den oft unflexiblen Regularien und unwilligen Sachbearbeitern gelitten.

Zurück zum Thema. Warum lernt man als VCler mehr von den Verlierern? Ganz einfach: Ich habe mich zu etwa 80% meiner Zeit mit den Problemkindern beschäftigt. Mal war die Zeit für das Produkt noch nicht reif. Mal hat sich die Geschäftsführung zerstritten. Mal wurde die Finanzplanung nicht eingehalten. Meistens dauerte der Vertrieb jedoch zu lange. Umsatzprognosen waren in den meisten Fällen um Faktoren zu optimistisch. Wer da als Geschäftsführer nicht schnell die Kosten anpasst, läuft schnell aus dem Geld.
Bei über 50 Beteiligungen durfte ich tief in den "Maschinen-Raum" des Tagesgeschäftes Einsicht nehmen. Und überall konnte ich neue Problemfelder identifizieren und analysieren. Wenn man das lange macht, entwickelt man einen 6ten Sinn für aufkommende Schwierigkeiten. Fast wie ein Meteorologe heranziehende Stürme erkennt. Und da die Verlierer immer gleich mehrere Fehler machen, kann man dort am meisten lernen...
Comments